Als ich zur Welt kam, war mein Vater 55 Jahre alt. Als er starb, war ich 18 und stand vor dem Abitur. Bewusst kann ich mich also nur an die letzten 15 Jahre seines Lebens erinnern. Da ich zudem seit 1960 meine Schulzeit im Internat (Konvikt) in Münstereifel verbrachte, sind meine Erinnerungen an ihn auf die Ferien und Wochenendbesuche beschränkt.
Ich hatte eine unbeschwerte und glückliche Kindheit in Blankenheim. Unser Haus und das terrassierte, teilweise bewaldete Grundstück unterhalb der Hülchrather Kapelle mit dem verwunschenen Atelier war für mich das ideale Spielgelände. Mein Vater hegte und pflegte seinen Garten mit Hingabe und Vergnügen. Mit meinen Kinderaugen betrachtete ich damals auch das Atelier als einen Spielplatz allerdings für meinen Vater. Er »spielte und experimentierte« dort mit Pastell- und Kohlestiften mit Ölfarben. Und mitten im Raum stand die alte Staffelei. Es roch nach Farben und Leinöl.
Hier machte mein Vater schon früh den Versuch, mir Zeichenunterricht zu geben, doch musste er bald einsehen, dass ich seine künstlerische Begabung nicht geerbt hatte.
Das Atelier war Mittelpunkt seines Lebens in Blankenheim. Wenn er nicht gerade ein neues Bild anfertigte, verbrachte er viel Zeit damit, früher entstandene Werke zu sichten, zu ordnen und zu überarbeiten. Er gestaltete die Wände seiner Werkstatt ständig neu, indem er die Exponate wechselte. Als meine Mutter während seiner Abwesenheit einmal den Versuch einer neuen Ordnung wagte und die Werke in tagelanger Kleinarbeit thematisch zusammenlegte, war er nach seiner Rückkehr zutiefst unglücklich. Er wollte die Bilder am liebsten selbst wieder einmal in die Hand nehmen, um eventuell kleinere Verbesserungen vornehmen zu können.
Das Atelier war für ihn ein Raum zum Leben und Arbeiten. Er wäre nie auf die Idee gekommen, aus seiner Werkstatt einen Ausstellungs- und Verkaufsraum zu machen. Ebenso wenig interessierte ihn eine aufwendige Präsentation oder Strategien zur Vermarktung seiner Werke. Meinem Vater war es vergönnt, wirklich freischaffend und unabhängig zu arbeiten, ganz bewusst ließ er sich nicht zu irgendeinem Lehrauftrag oder zu anderen regelmäßigen Verpflichtungen bewegen. Nach der Erfahrung als Soldat in zwei Weltkriegen lebte er gerne konsequent nach seinem Wahlspruch: Nie wieder einen Vorgesetzten! Freiheit galt ihm mehr als Sicherheit.
Der Künstlerhaushalt Schulten hatte seine eigenen Gesetzmäßigkeiten: bei sonnigem Wetter wurden Picknick Koffer und Malutensilien zusammengepackt, und wir fuhren in die Eifel. Sein alter DKW, immer wieder notdürftig zusammengeschweißt und geflickt, diente als Staffelei, sobald ein schöner Aussichtspunkt gefunden war.
Wir und auch die gelegentlich mitgenommenen Freunde lernten von ihm: hinsehen, Formen und Farben unterscheiden, fotografieren.
Ohne Ausflüge durch den Frühlingswald und durch die Farbenpracht des Herbstes hätte er als Maler nicht existieren können immer auf der Suche nach neuen Anregungen. Den tristen, kalten, oft eintönigen Winter mied er. Dann brach er zu Auftrags oder Studienreisen auf, die ihn meist ins Ausland führten.
Vom Verkauf seiner Eifelbilder allein konnte er seine Familie nicht ernähren. Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, musste er sich als Kunstmaler immer wieder ins Gespräch bringen. Dies tat er auf vielfältige Weise. Als Mitglied des Eifelvereins, des lbero Clubs, der Deutsch Isländischen Gesellschaft, des Lions Clubs traf er mit verschiedenen Leuten aus allen Berufssparten zusammen, die ihn als Künstler gerne in ihre Reihen aufnahmen. Er galt als hochinteressanter Gesprächspartner, der ein unkonventionelles Leben führte und auf Reisen Außergewöhnliches erlebt hatte. Wer ist denn schon in den 20iger und 30iger Jahren nach Italien, Spanien, nach Ibiza und Teneriffa gereist (und das mit einem Bananendampfer) sowie in Island, Spitzbergen und Norwegen gewesen? Wer hatte denn schon durch seine berufliche Tätigkeit Zugang zu allen Bevölkerungsschichten: zu Ministern, Bischöfen, Professoren, Schauspielern, Fischern und Bauern?
Wenn er dann seine Fotos zeigen konnte, war er sofort Mittelpunkt des Interesses und dies zog zahlreiche Atelierbesuche und Aufträge nach sich. Eine weitere Möglichkeit, neue Kontakte zu knüpfen, waren die Studienreisen, Kreuzfahrten in den hohen Norden Europas oder auch nach Griechenland. Kaum hatte er an Bord angefangen, Reiseeindrücke im Bild festzuhalten und seine Werke in Ausstellungen zu zeigen, scharten sich die Mitreisenden um ihn und ließen sich von ihm unterhalten. Oft kam er mit zahlreichen Portraitaufträgen zurück.
So schmerzlich für mich als Kind die lange Abwesenheit meines Vaters war, so erlebte ich ihn bei seiner Rückkehr erfüllt von neuem Schaffensdrang, befriedigt durch neue Anerkennung und voller Pläne für die nächste Zukunft.
Aus einem Gemäldeauftrag konnte ein Reihenauftrag werden. So musste er z. B. alle Professoren der TH Aachen oder alle Mitglieder eines Schauspiel Ensembles in Bad Godesberg porträtieren.
Manchmal nahmen sich die »Modelle« Zeit und ließen sich in Blankenheim malen. Sie quartierten sich im Ort ein und kamen zu den Sitzungen ins Atelier. So hatten wir oft Besuch von außergewöhnlichen Persönlichkeiten: Kaufleuten, Industriellen, Künstlern, Professoren, Karnevalsprinzen.
Einmal landete ein Industrieller aus Leverkusen mit seinem Privatflugzeug auf der Dahlemer Binz. Als der Auftrag zur Zufriedenheit beendet war, lud er meine Mutter und mich zu einem Rundflug über das obere Ahrtal ein.
Im Atelier war es oft wie in einem Taubenschlag: Es kamen Schulklassen, Vereine, Gesellschaften, Journalisten, einmal das Fernsehen. Für mich eine willkommene Abwechslung in meinem Schülerdasein.
Wohl am meisten erinnere ich mich an das Porträtieren im Atelier: Zunächst suchte mein Vater etwa einen Tag lang herauszufinden, was für eine Persönlichkeit ihm da gegenüber saß. Er schuf in seiner unkomplizierten und direkten Art den Kontakt zu seinem Gegenüber. In Gesprächen beim Kaffeetrinken oder bei Spaziergängen konnte er typische Gesten und die jeweilige Mimik kennenlernen. Er studierte die individuelle Ausdruckskraft der Gesichtszüge, der Augen besonders. Es wurde erzählt und gelacht. Von welcher Seite sollte dieser Mensch »festgehalten« werden? Am nächsten Tag legte er sich fest und sagte, er habe das fertige Bild schon im Kopf, er brauche es nur noch auf Leinwand zu übertragen.
Die Personen mußten sich im Atelier auf einen bequemen Stuhl setzen, wurden ins richtige (und rechte!) Licht gerückt, so daß sie den Blick zur Blankenheimer Burg genießen konnten, und es gab Gespräche über Gott und die Welt. Er arbeitete angestrengt und konzentriert, mußte auch auf die Beibehaltung einer bestimmten Sitzhaltung drängen und gleichzeitig gelang es ihm, eine entspannte, lockere, fast heitere Stimmung zu verbreiten.
Wenn Kinder gemalt oder gezeichnet werden mußten, fiel mir die Aufgabe eines Unterhalters zu; ich mußte hinter seinem Rücken Kasperletheater veranstalten oder vorlesen.
In die anfängliche Grobskizze wurden allmählich die genauen Gesichtskonturen festgelegt und langsam Nase, Augen und Mund herauspräpariert. Mund und Augen beschäftigten ihn am längsten. Seine Devise hieß: 10mal hinschauen und beobachten, einmal den Strich setzen. Vor Beendigung eines Auftrags bat er um den Rat meiner Mutter, die sich zu einer Expertin auf diesem Gebiet entwickelt hatte. Der Besuch konnte beglückt das fertige Portrait mitnehmen.
Mein Vater verbreitete meist eine heitere, gelassene und optimistische Atmosphäre. Die Veröffentlichung seiner Bildbände »Erlebte Eifel Gesicht einer Landschaft« (1962) und »Das Bild der Eifel (1966), seine vielen Ausstellungen in verschiedenen deutschen Großstädten und die vielen Veröffentlichungen über sein Werk und seine Persönlichkeit empfand er als Bestätigung und Ermutigung, seinen künstlerischen Weg weiterzugehen, denn er hatte seinen unverwechselbaren Zeichen und Malstil gefunden. Mein Vater war ein humorvoller Mensch, bisweilen ein Schalk, wenn auch nicht der Typ des »Eifeler Schalk«, den er so treffend in einer Radierung wiedergegeben hat. Die ungebrochene Karnevalstradition in Blankenheim hielt ihn in Bann. Er war dabei, machte mit, verkleidete sich (einmal als Don Quichotte! seine Schülerin war Sancho Panza). Er hätte sich gefreut zu sehen, daß 1969 ein Karnevalsjeck, als Curtius Schulten verkleidet, am Rosenmontagszug teilnahm.
Er war ein geselliger Mensch, der gerne Feste feierte. Beim Garten und Atelierfest 1953 war jedenfalls der ganze Ort auf den Beinen. So sehr es ihn anfangs traurig stimmte, daß seine zeichnerische Begabung nicht auf seinen Sohn übergegangen war, so ist er am Ende seines Lebens eher froh darüber gewesen. Er ahnte, daß bald eine Ära zu Ende gehen würde, in der ein freischaffender Künstler noch alleine durch seine Kunst existieren konnte. Sein Lebensgefühl wurde maßgeblich durch Intuition, Improvisation, Spontaneität und Kreativität bestimmt. Er war eben auch ein Lebenskünstler.
Marius Schulten, Bad Münstereifel, Sohn des Künstlers
Als ich zur Welt kam, war mein Vater 55 Jahre alt. Als er starb, war ich 18 und stand vor dem Abitur. Bewusst kann ich mich also nur an die letzten 15 Jahre seines Lebens erinnern. Da ich zudem seit 1960 meine Schulzeit im Internat (Konvikt) in Münstereifel verbrachte, sind meine Erinnerungen an ihn auf die Ferien und Wochenendbesuche beschränkt.
Ich hatte eine unbeschwerte und glückliche Kindheit in Blankenheim. Unser Haus und das terrassierte, teilweise bewaldete Grundstück unterhalb der Hülchrather Kapelle mit dem verwunschenen Atelier war für mich das ideale Spielgelände. Mein Vater hegte und pflegte seinen Garten mit Hingabe und Vergnügen. Mit meinen Kinderaugen betrachtete ich damals auch das Atelier als einen Spielplatz allerdings für meinen Vater. Er »spielte und experimentierte« dort mit Pastell- und Kohlestiften mit Ölfarben. Und mitten im Raum stand die alte Staffelei. Es roch nach Farben und Leinöl.
Hier machte mein Vater schon früh den Versuch, mir Zeichenunterricht zu geben, doch musste er bald einsehen, dass ich seine künstlerische Begabung nicht geerbt hatte.
Das Atelier war Mittelpunkt seines Lebens in Blankenheim. Wenn er nicht gerade ein neues Bild anfertigte, verbrachte er viel Zeit damit, früher entstandene Werke zu sichten, zu ordnen und zu überarbeiten. Er gestaltete die Wände seiner Werkstatt ständig neu, indem er die Exponate wechselte. Als meine Mutter während seiner Abwesenheit einmal den Versuch einer neuen Ordnung wagte und die Werke in tagelanger Kleinarbeit thematisch zusammenlegte, war er nach seiner Rückkehr zutiefst unglücklich. Er wollte die Bilder am liebsten selbst wieder einmal in die Hand nehmen, um eventuell kleinere Verbesserungen vornehmen zu können.
Das Atelier war für ihn ein Raum zum Leben und Arbeiten. Er wäre nie auf die Idee gekommen, aus seiner Werkstatt einen Ausstellungs- und Verkaufsraum zu machen. Ebenso wenig interessierte ihn eine aufwendige Präsentation oder Strategien zur Vermarktung seiner Werke. Meinem Vater war es vergönnt, wirklich freischaffend und unabhängig zu arbeiten, ganz bewusst ließ er sich nicht zu irgendeinem Lehrauftrag oder zu anderen regelmäßigen Verpflichtungen bewegen. Nach der Erfahrung als Soldat in zwei Weltkriegen lebte er gerne konsequent nach seinem Wahlspruch: Nie wieder einen Vorgesetzten! Freiheit galt ihm mehr als Sicherheit.
Der Künstlerhaushalt Schulten hatte seine eigenen Gesetzmäßigkeiten: bei sonnigem Wetter wurden Picknick Koffer und Malutensilien zusammengepackt, und wir fuhren in die Eifel. Sein alter DKW, immer wieder notdürftig zusammengeschweißt und geflickt, diente als Staffelei, sobald ein schöner Aussichtspunkt gefunden war.
Wir und auch die gelegentlich mitgenommenen Freunde lernten von ihm: hinsehen, Formen und Farben unterscheiden, fotografieren.
Ohne Ausflüge durch den Frühlingswald und durch die Farbenpracht des Herbstes hätte er als Maler nicht existieren können immer auf der Suche nach neuen Anregungen. Den tristen, kalten, oft eintönigen Winter mied er. Dann brach er zu Auftrags oder Studienreisen auf, die ihn meist ins Ausland führten.
Vom Verkauf seiner Eifelbilder allein konnte er seine Familie nicht ernähren. Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, musste er sich als Kunstmaler immer wieder ins Gespräch bringen. Dies tat er auf vielfältige Weise. Als Mitglied des Eifelvereins, des lbero Clubs, der Deutsch Isländischen Gesellschaft, des Lions Clubs traf er mit verschiedenen Leuten aus allen Berufssparten zusammen, die ihn als Künstler gerne in ihre Reihen aufnahmen. Er galt als hochinteressanter Gesprächspartner, der ein unkonventionelles Leben führte und auf Reisen Außergewöhnliches erlebt hatte. Wer ist denn schon in den 20iger und 30iger Jahren nach Italien, Spanien, nach Ibiza und Teneriffa gereist (und das mit einem Bananendampfer) sowie in Island, Spitzbergen und Norwegen gewesen? Wer hatte denn schon durch seine berufliche Tätigkeit Zugang zu allen Bevölkerungsschichten: zu Ministern, Bischöfen, Professoren, Schauspielern, Fischern und Bauern?
Wenn er dann seine Fotos zeigen konnte, war er sofort Mittelpunkt des Interesses und dies zog zahlreiche Atelierbesuche und Aufträge nach sich. Eine weitere Möglichkeit, neue Kontakte zu knüpfen, waren die Studienreisen, Kreuzfahrten in den hohen Norden Europas oder auch nach Griechenland. Kaum hatte er an Bord angefangen, Reiseeindrücke im Bild festzuhalten und seine Werke in Ausstellungen zu zeigen, scharten sich die Mitreisenden um ihn und ließen sich von ihm unterhalten. Oft kam er mit zahlreichen Portraitaufträgen zurück.
So schmerzlich für mich als Kind die lange Abwesenheit meines Vaters war, so erlebte ich ihn bei seiner Rückkehr erfüllt von neuem Schaffensdrang, befriedigt durch neue Anerkennung und voller Pläne für die nächste Zukunft.
Aus einem Gemäldeauftrag konnte ein Reihenauftrag werden. So musste er z. B. alle Professoren der TH Aachen oder alle Mitglieder eines Schauspiel Ensembles in Bad Godesberg porträtieren.
Manchmal nahmen sich die »Modelle« Zeit und ließen sich in Blankenheim malen. Sie quartierten sich im Ort ein und kamen zu den Sitzungen ins Atelier. So hatten wir oft Besuch von außergewöhnlichen Persönlichkeiten: Kaufleuten, Industriellen, Künstlern, Professoren, Karnevalsprinzen.
Einmal landete ein Industrieller aus Leverkusen mit seinem Privatflugzeug auf der Dahlemer Binz. Als der Auftrag zur Zufriedenheit beendet war, lud er meine Mutter und mich zu einem Rundflug über das obere Ahrtal ein.
Im Atelier war es oft wie in einem Taubenschlag: Es kamen Schulklassen, Vereine, Gesellschaften, Journalisten, einmal das Fernsehen. Für mich eine willkommene Abwechslung in meinem Schülerdasein.
Wohl am meisten erinnere ich mich an das Porträtieren im Atelier: Zunächst suchte mein Vater etwa einen Tag lang herauszufinden, was für eine Persönlichkeit ihm da gegenüber saß. Er schuf in seiner unkomplizierten und direkten Art den Kontakt zu seinem Gegenüber. In Gesprächen beim Kaffeetrinken oder bei Spaziergängen konnte er typische Gesten und die jeweilige Mimik kennenlernen. Er studierte die individuelle Ausdruckskraft der Gesichtszüge, der Augen besonders. Es wurde erzählt und gelacht. Von welcher Seite sollte dieser Mensch »festgehalten« werden? Am nächsten Tag legte er sich fest und sagte, er habe das fertige Bild schon im Kopf, er brauche es nur noch auf Leinwand zu übertragen.
Die Personen mußten sich im Atelier auf einen bequemen Stuhl setzen, wurden ins richtige (und rechte!) Licht gerückt, so daß sie den Blick zur Blankenheimer Burg genießen konnten, und es gab Gespräche über Gott und die Welt. Er arbeitete angestrengt und konzentriert, mußte auch auf die Beibehaltung einer bestimmten Sitzhaltung drängen und gleichzeitig gelang es ihm, eine entspannte, lockere, fast heitere Stimmung zu verbreiten.
Wenn Kinder gemalt oder gezeichnet werden mußten, fiel mir die Aufgabe eines Unterhalters zu; ich mußte hinter seinem Rücken Kasperletheater veranstalten oder vorlesen.
In die anfängliche Grobskizze wurden allmählich die genauen Gesichtskonturen festgelegt und langsam Nase, Augen und Mund herauspräpariert. Mund und Augen beschäftigten ihn am längsten. Seine Devise hieß: 10mal hinschauen und beobachten, einmal den Strich setzen. Vor Beendigung eines Auftrags bat er um den Rat meiner Mutter, die sich zu einer Expertin auf diesem Gebiet entwickelt hatte. Der Besuch konnte beglückt das fertige Portrait mitnehmen.
Mein Vater verbreitete meist eine heitere, gelassene und optimistische Atmosphäre. Die Veröffentlichung seiner Bildbände »Erlebte Eifel Gesicht einer Landschaft« (1962) und »Das Bild der Eifel (1966), seine vielen Ausstellungen in verschiedenen deutschen Großstädten und die vielen Veröffentlichungen über sein Werk und seine Persönlichkeit empfand er als Bestätigung und Ermutigung, seinen künstlerischen Weg weiterzugehen, denn er hatte seinen unverwechselbaren Zeichen und Malstil gefunden. Mein Vater war ein humorvoller Mensch, bisweilen ein Schalk, wenn auch nicht der Typ des »Eifeler Schalk«, den er so treffend in einer Radierung wiedergegeben hat. Die ungebrochene Karnevalstradition in Blankenheim hielt ihn in Bann. Er war dabei, machte mit, verkleidete sich (einmal als Don Quichotte! seine Schülerin war Sancho Panza). Er hätte sich gefreut zu sehen, daß 1969 ein Karnevalsjeck, als Curtius Schulten verkleidet, am Rosenmontagszug teilnahm.
Er war ein geselliger Mensch, der gerne Feste feierte. Beim Garten und Atelierfest 1953 war jedenfalls der ganze Ort auf den Beinen. So sehr es ihn anfangs traurig stimmte, daß seine zeichnerische Begabung nicht auf seinen Sohn übergegangen war, so ist er am Ende seines Lebens eher froh darüber gewesen. Er ahnte, daß bald eine Ära zu Ende gehen würde, in der ein freischaffender Künstler noch alleine durch seine Kunst existieren konnte. Sein Lebensgefühl wurde maßgeblich durch Intuition, Improvisation, Spontaneität und Kreativität bestimmt. Er war eben auch ein Lebenskünstler.
Marius Schulten, Bad Münstereifel, Sohn des Künstlers
Ich hatte eine unbeschwerte und glückliche Kindheit in Blankenheim. Unser Haus und das terrassierte, teilweise bewaldete Grundstück unterhalb der Hülchrather Kapelle mit dem verwunschenen Atelier war für mich das ideale Spielgelände. Mein Vater hegte und pflegte seinen Garten mit Hingabe und Vergnügen. Mit meinen Kinderaugen betrachtete ich damals auch das Atelier als einen Spielplatz allerdings für meinen Vater. Er »spielte und experimentierte« dort mit Pastell- und Kohlestiften mit Ölfarben. Und mitten im Raum stand die alte Staffelei. Es roch nach Farben und Leinöl.
Hier machte mein Vater schon früh den Versuch, mir Zeichenunterricht zu geben, doch musste er bald einsehen, dass ich seine künstlerische Begabung nicht geerbt hatte.
Das Atelier war Mittelpunkt seines Lebens in Blankenheim. Wenn er nicht gerade ein neues Bild anfertigte, verbrachte er viel Zeit damit, früher entstandene Werke zu sichten, zu ordnen und zu überarbeiten. Er gestaltete die Wände seiner Werkstatt ständig neu, indem er die Exponate wechselte. Als meine Mutter während seiner Abwesenheit einmal den Versuch einer neuen Ordnung wagte und die Werke in tagelanger Kleinarbeit thematisch zusammenlegte, war er nach seiner Rückkehr zutiefst unglücklich. Er wollte die Bilder am liebsten selbst wieder einmal in die Hand nehmen, um eventuell kleinere Verbesserungen vornehmen zu können.
Das Atelier war für ihn ein Raum zum Leben und Arbeiten. Er wäre nie auf die Idee gekommen, aus seiner Werkstatt einen Ausstellungs- und Verkaufsraum zu machen. Ebenso wenig interessierte ihn eine aufwendige Präsentation oder Strategien zur Vermarktung seiner Werke. Meinem Vater war es vergönnt, wirklich freischaffend und unabhängig zu arbeiten, ganz bewusst ließ er sich nicht zu irgendeinem Lehrauftrag oder zu anderen regelmäßigen Verpflichtungen bewegen. Nach der Erfahrung als Soldat in zwei Weltkriegen lebte er gerne konsequent nach seinem Wahlspruch: Nie wieder einen Vorgesetzten! Freiheit galt ihm mehr als Sicherheit.
Der Künstlerhaushalt Schulten hatte seine eigenen Gesetzmäßigkeiten: bei sonnigem Wetter wurden Picknick Koffer und Malutensilien zusammengepackt, und wir fuhren in die Eifel. Sein alter DKW, immer wieder notdürftig zusammengeschweißt und geflickt, diente als Staffelei, sobald ein schöner Aussichtspunkt gefunden war.
Wir und auch die gelegentlich mitgenommenen Freunde lernten von ihm: hinsehen, Formen und Farben unterscheiden, fotografieren.
Ohne Ausflüge durch den Frühlingswald und durch die Farbenpracht des Herbstes hätte er als Maler nicht existieren können immer auf der Suche nach neuen Anregungen. Den tristen, kalten, oft eintönigen Winter mied er. Dann brach er zu Auftrags oder Studienreisen auf, die ihn meist ins Ausland führten.
Vom Verkauf seiner Eifelbilder allein konnte er seine Familie nicht ernähren. Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, musste er sich als Kunstmaler immer wieder ins Gespräch bringen. Dies tat er auf vielfältige Weise. Als Mitglied des Eifelvereins, des lbero Clubs, der Deutsch Isländischen Gesellschaft, des Lions Clubs traf er mit verschiedenen Leuten aus allen Berufssparten zusammen, die ihn als Künstler gerne in ihre Reihen aufnahmen. Er galt als hochinteressanter Gesprächspartner, der ein unkonventionelles Leben führte und auf Reisen Außergewöhnliches erlebt hatte. Wer ist denn schon in den 20iger und 30iger Jahren nach Italien, Spanien, nach Ibiza und Teneriffa gereist (und das mit einem Bananendampfer) sowie in Island, Spitzbergen und Norwegen gewesen? Wer hatte denn schon durch seine berufliche Tätigkeit Zugang zu allen Bevölkerungsschichten: zu Ministern, Bischöfen, Professoren, Schauspielern, Fischern und Bauern?
Wenn er dann seine Fotos zeigen konnte, war er sofort Mittelpunkt des Interesses und dies zog zahlreiche Atelierbesuche und Aufträge nach sich. Eine weitere Möglichkeit, neue Kontakte zu knüpfen, waren die Studienreisen, Kreuzfahrten in den hohen Norden Europas oder auch nach Griechenland. Kaum hatte er an Bord angefangen, Reiseeindrücke im Bild festzuhalten und seine Werke in Ausstellungen zu zeigen, scharten sich die Mitreisenden um ihn und ließen sich von ihm unterhalten. Oft kam er mit zahlreichen Portraitaufträgen zurück.
So schmerzlich für mich als Kind die lange Abwesenheit meines Vaters war, so erlebte ich ihn bei seiner Rückkehr erfüllt von neuem Schaffensdrang, befriedigt durch neue Anerkennung und voller Pläne für die nächste Zukunft.
Aus einem Gemäldeauftrag konnte ein Reihenauftrag werden. So musste er z. B. alle Professoren der TH Aachen oder alle Mitglieder eines Schauspiel Ensembles in Bad Godesberg porträtieren.
Manchmal nahmen sich die »Modelle« Zeit und ließen sich in Blankenheim malen. Sie quartierten sich im Ort ein und kamen zu den Sitzungen ins Atelier. So hatten wir oft Besuch von außergewöhnlichen Persönlichkeiten: Kaufleuten, Industriellen, Künstlern, Professoren, Karnevalsprinzen.
Einmal landete ein Industrieller aus Leverkusen mit seinem Privatflugzeug auf der Dahlemer Binz. Als der Auftrag zur Zufriedenheit beendet war, lud er meine Mutter und mich zu einem Rundflug über das obere Ahrtal ein.
Im Atelier war es oft wie in einem Taubenschlag: Es kamen Schulklassen, Vereine, Gesellschaften, Journalisten, einmal das Fernsehen. Für mich eine willkommene Abwechslung in meinem Schülerdasein.
Wohl am meisten erinnere ich mich an das Porträtieren im Atelier: Zunächst suchte mein Vater etwa einen Tag lang herauszufinden, was für eine Persönlichkeit ihm da gegenüber saß. Er schuf in seiner unkomplizierten und direkten Art den Kontakt zu seinem Gegenüber. In Gesprächen beim Kaffeetrinken oder bei Spaziergängen konnte er typische Gesten und die jeweilige Mimik kennenlernen. Er studierte die individuelle Ausdruckskraft der Gesichtszüge, der Augen besonders. Es wurde erzählt und gelacht. Von welcher Seite sollte dieser Mensch »festgehalten« werden? Am nächsten Tag legte er sich fest und sagte, er habe das fertige Bild schon im Kopf, er brauche es nur noch auf Leinwand zu übertragen.
Die Personen mußten sich im Atelier auf einen bequemen Stuhl setzen, wurden ins richtige (und rechte!) Licht gerückt, so daß sie den Blick zur Blankenheimer Burg genießen konnten, und es gab Gespräche über Gott und die Welt. Er arbeitete angestrengt und konzentriert, mußte auch auf die Beibehaltung einer bestimmten Sitzhaltung drängen und gleichzeitig gelang es ihm, eine entspannte, lockere, fast heitere Stimmung zu verbreiten.
Wenn Kinder gemalt oder gezeichnet werden mußten, fiel mir die Aufgabe eines Unterhalters zu; ich mußte hinter seinem Rücken Kasperletheater veranstalten oder vorlesen.
In die anfängliche Grobskizze wurden allmählich die genauen Gesichtskonturen festgelegt und langsam Nase, Augen und Mund herauspräpariert. Mund und Augen beschäftigten ihn am längsten. Seine Devise hieß: 10mal hinschauen und beobachten, einmal den Strich setzen. Vor Beendigung eines Auftrags bat er um den Rat meiner Mutter, die sich zu einer Expertin auf diesem Gebiet entwickelt hatte. Der Besuch konnte beglückt das fertige Portrait mitnehmen.
Mein Vater verbreitete meist eine heitere, gelassene und optimistische Atmosphäre. Die Veröffentlichung seiner Bildbände »Erlebte Eifel Gesicht einer Landschaft« (1962) und »Das Bild der Eifel (1966), seine vielen Ausstellungen in verschiedenen deutschen Großstädten und die vielen Veröffentlichungen über sein Werk und seine Persönlichkeit empfand er als Bestätigung und Ermutigung, seinen künstlerischen Weg weiterzugehen, denn er hatte seinen unverwechselbaren Zeichen und Malstil gefunden. Mein Vater war ein humorvoller Mensch, bisweilen ein Schalk, wenn auch nicht der Typ des »Eifeler Schalk«, den er so treffend in einer Radierung wiedergegeben hat. Die ungebrochene Karnevalstradition in Blankenheim hielt ihn in Bann. Er war dabei, machte mit, verkleidete sich (einmal als Don Quichotte! seine Schülerin war Sancho Panza). Er hätte sich gefreut zu sehen, daß 1969 ein Karnevalsjeck, als Curtius Schulten verkleidet, am Rosenmontagszug teilnahm.
Er war ein geselliger Mensch, der gerne Feste feierte. Beim Garten und Atelierfest 1953 war jedenfalls der ganze Ort auf den Beinen. So sehr es ihn anfangs traurig stimmte, daß seine zeichnerische Begabung nicht auf seinen Sohn übergegangen war, so ist er am Ende seines Lebens eher froh darüber gewesen. Er ahnte, daß bald eine Ära zu Ende gehen würde, in der ein freischaffender Künstler noch alleine durch seine Kunst existieren konnte. Sein Lebensgefühl wurde maßgeblich durch Intuition, Improvisation, Spontaneität und Kreativität bestimmt. Er war eben auch ein Lebenskünstler.
Marius Schulten, Bad Münstereifel, Sohn des Künstlers
Eine Charakterisierung
von Dr. Ludwig Pesch
»... mit Knickerbockern aus grobem Cord und einer grauen Trachtenjacke ... Hintergründiges, schalkhaftes Lächeln ...
Das Haar weiß, .... der Kinnbart spitz gerundet und kurz. Ein Mann von gesunder Vitalität und unerschütterlichem Humor, hart im Nehmen, herzlich, freundlich, selbstbewusst, der Güte fähig ... Dieser Mensch hat sein Leben ohne Verlust seiner selbst vollbracht, stets tätig, schaffend, schöpferisch, sinnend, aus einem unverwüstlich starken und reichen Zentrum, er hat es schöpferisch sinnend und zupackend erworben und genossen.
Ein Sinnender, kein Grübler, ein Staunender, selten ein Betroffener. Gelassen, kaum zu erschüttern ... Er glaubt an den Menschen, vermeidet es aber, sich ins Abgründige zu versenken. Dieser Mann ist im Herzen unbefangen und kindlich geblieben. Er hat das infame Spiel nie durchschaut...
Schulten war als Sinnender wie Sinnhafter ein Emanzipierter ... Er war stets unterwegs ... Im Atelier zu Blankenheim malte er manche seiner Bilder fertig, legte sie weg, vergaß oft, sie zu signieren, stellte sie gelegentlich aus, und er zog wieder los: zu den Balearen, nach Teneriffa, Spanien, Griechenland, Norwegen, Island, Spitzbergen, wander und unternehmungslustig, neugierig bis dort hinaus. Er ist einen Tag zu Haus in Blankenheim, draußen vor dem alten Tor an der Trierer Allee, die zur Hochfläche aufwärts führt, das Wetter schlägt um, der Frühling blaut und wölkt am Himmel, er sagt in Hast: Ich muss raus, das Licht, sieh mal, das ist nur noch eine Stunde so, dann verblasst es ! Und schon ist er weg, mit dem kleinen Auto...
Von Landschaft besessen ... Er ging durch die Welt und schien nicht einmal zu ahnen, dass man in ihr das Fürchten lernen muss...
Er theoretisierte nicht ... Als Schulten mich einmal ... in Bonn besuchte und aus dem Bad ins Wohnzimmer kam, sagte er lächelnd, er habe dort die Bodenplättchen gesehen, einige hundert ... jedes Muster könne man als ein abstraktes, abstrakt phantastisches, surrealistisches oder phantastisch erotisches Bildchen betrachten... Man brauche ... nur abzumalen und ... habe eine große Galerie allermodernster Kunst geschaffen. Er lachte und fügte hinzu, dergleichen könnte er, auch ohne Anregung durch solche Plättchen...
Er blieb, was er im Innersten war, ein im Grunde nicht zu irritierender Mensch und Künstler ... Es gab im Grunde nichts anderes für ihn als seine Kunst. Die Entwicklung, die sein Werk zeigt, ist seine eigene. Natürlich war er ein Kind seiner Zeit. Da stehen sozusagen an seiner Wiege Thoma und Cézanne, um nur die zwei repräsentativsten zu nennen, von denen er stark beeindruckt war. Aber es zeigte sich, dass Schuhen völlig unabhängig auf seine Weise Eindrücke und Einflüsse verarbeitete und dass alles, was er schuf, aus dem Seinigen floss ... Schulten ließ sich durch keine Mode beirren und machte allenfalls scherzhafte Bemerkungen. Ging man darauf mit theoretischen Erwägungen ein, hörte er lächelnd zu und kam so bald wie möglich auf ganz andere Dinge zu sprechen ... «
Dr. Ludwig Pesch, Bonn
Ein Auszug aus "Curtius Schulten - Künstler und Werk", Sonderdruck, 1987
»... mit Knickerbockern aus grobem Cord und einer grauen Trachtenjacke ... Hintergründiges, schalkhaftes Lächeln ...
Das Haar weiß, .... der Kinnbart spitz gerundet und kurz. Ein Mann von gesunder Vitalität und unerschütterlichem Humor, hart im Nehmen, herzlich, freundlich, selbstbewusst, der Güte fähig ... Dieser Mensch hat sein Leben ohne Verlust seiner selbst vollbracht, stets tätig, schaffend, schöpferisch, sinnend, aus einem unverwüstlich starken und reichen Zentrum, er hat es schöpferisch sinnend und zupackend erworben und genossen.
Ein Sinnender, kein Grübler, ein Staunender, selten ein Betroffener. Gelassen, kaum zu erschüttern ... Er glaubt an den Menschen, vermeidet es aber, sich ins Abgründige zu versenken. Dieser Mann ist im Herzen unbefangen und kindlich geblieben. Er hat das infame Spiel nie durchschaut...
Schulten war als Sinnender wie Sinnhafter ein Emanzipierter ... Er war stets unterwegs ... Im Atelier zu Blankenheim malte er manche seiner Bilder fertig, legte sie weg, vergaß oft, sie zu signieren, stellte sie gelegentlich aus, und er zog wieder los: zu den Balearen, nach Teneriffa, Spanien, Griechenland, Norwegen, Island, Spitzbergen, wander und unternehmungslustig, neugierig bis dort hinaus. Er ist einen Tag zu Haus in Blankenheim, draußen vor dem alten Tor an der Trierer Allee, die zur Hochfläche aufwärts führt, das Wetter schlägt um, der Frühling blaut und wölkt am Himmel, er sagt in Hast: Ich muss raus, das Licht, sieh mal, das ist nur noch eine Stunde so, dann verblasst es ! Und schon ist er weg, mit dem kleinen Auto...
Von Landschaft besessen ... Er ging durch die Welt und schien nicht einmal zu ahnen, dass man in ihr das Fürchten lernen muss...
Er theoretisierte nicht ... Als Schulten mich einmal ... in Bonn besuchte und aus dem Bad ins Wohnzimmer kam, sagte er lächelnd, er habe dort die Bodenplättchen gesehen, einige hundert ... jedes Muster könne man als ein abstraktes, abstrakt phantastisches, surrealistisches oder phantastisch erotisches Bildchen betrachten... Man brauche ... nur abzumalen und ... habe eine große Galerie allermodernster Kunst geschaffen. Er lachte und fügte hinzu, dergleichen könnte er, auch ohne Anregung durch solche Plättchen...
Er blieb, was er im Innersten war, ein im Grunde nicht zu irritierender Mensch und Künstler ... Es gab im Grunde nichts anderes für ihn als seine Kunst. Die Entwicklung, die sein Werk zeigt, ist seine eigene. Natürlich war er ein Kind seiner Zeit. Da stehen sozusagen an seiner Wiege Thoma und Cézanne, um nur die zwei repräsentativsten zu nennen, von denen er stark beeindruckt war. Aber es zeigte sich, dass Schuhen völlig unabhängig auf seine Weise Eindrücke und Einflüsse verarbeitete und dass alles, was er schuf, aus dem Seinigen floss ... Schulten ließ sich durch keine Mode beirren und machte allenfalls scherzhafte Bemerkungen. Ging man darauf mit theoretischen Erwägungen ein, hörte er lächelnd zu und kam so bald wie möglich auf ganz andere Dinge zu sprechen ... «
Dr. Ludwig Pesch, Bonn
Ein Auszug aus "Curtius Schulten - Künstler und Werk", Sonderdruck, 1987
Das Haar weiß, .... der Kinnbart spitz gerundet und kurz. Ein Mann von gesunder Vitalität und unerschütterlichem Humor, hart im Nehmen, herzlich, freundlich, selbstbewusst, der Güte fähig ... Dieser Mensch hat sein Leben ohne Verlust seiner selbst vollbracht, stets tätig, schaffend, schöpferisch, sinnend, aus einem unverwüstlich starken und reichen Zentrum, er hat es schöpferisch sinnend und zupackend erworben und genossen.
Ein Sinnender, kein Grübler, ein Staunender, selten ein Betroffener. Gelassen, kaum zu erschüttern ... Er glaubt an den Menschen, vermeidet es aber, sich ins Abgründige zu versenken. Dieser Mann ist im Herzen unbefangen und kindlich geblieben. Er hat das infame Spiel nie durchschaut...
Schulten war als Sinnender wie Sinnhafter ein Emanzipierter ... Er war stets unterwegs ... Im Atelier zu Blankenheim malte er manche seiner Bilder fertig, legte sie weg, vergaß oft, sie zu signieren, stellte sie gelegentlich aus, und er zog wieder los: zu den Balearen, nach Teneriffa, Spanien, Griechenland, Norwegen, Island, Spitzbergen, wander und unternehmungslustig, neugierig bis dort hinaus. Er ist einen Tag zu Haus in Blankenheim, draußen vor dem alten Tor an der Trierer Allee, die zur Hochfläche aufwärts führt, das Wetter schlägt um, der Frühling blaut und wölkt am Himmel, er sagt in Hast: Ich muss raus, das Licht, sieh mal, das ist nur noch eine Stunde so, dann verblasst es ! Und schon ist er weg, mit dem kleinen Auto...
Von Landschaft besessen ... Er ging durch die Welt und schien nicht einmal zu ahnen, dass man in ihr das Fürchten lernen muss...
Er theoretisierte nicht ... Als Schulten mich einmal ... in Bonn besuchte und aus dem Bad ins Wohnzimmer kam, sagte er lächelnd, er habe dort die Bodenplättchen gesehen, einige hundert ... jedes Muster könne man als ein abstraktes, abstrakt phantastisches, surrealistisches oder phantastisch erotisches Bildchen betrachten... Man brauche ... nur abzumalen und ... habe eine große Galerie allermodernster Kunst geschaffen. Er lachte und fügte hinzu, dergleichen könnte er, auch ohne Anregung durch solche Plättchen...
Er blieb, was er im Innersten war, ein im Grunde nicht zu irritierender Mensch und Künstler ... Es gab im Grunde nichts anderes für ihn als seine Kunst. Die Entwicklung, die sein Werk zeigt, ist seine eigene. Natürlich war er ein Kind seiner Zeit. Da stehen sozusagen an seiner Wiege Thoma und Cézanne, um nur die zwei repräsentativsten zu nennen, von denen er stark beeindruckt war. Aber es zeigte sich, dass Schuhen völlig unabhängig auf seine Weise Eindrücke und Einflüsse verarbeitete und dass alles, was er schuf, aus dem Seinigen floss ... Schulten ließ sich durch keine Mode beirren und machte allenfalls scherzhafte Bemerkungen. Ging man darauf mit theoretischen Erwägungen ein, hörte er lächelnd zu und kam so bald wie möglich auf ganz andere Dinge zu sprechen ... «
Dr. Ludwig Pesch, Bonn
Ein Auszug aus "Curtius Schulten - Künstler und Werk", Sonderdruck, 1987
Oft ging ich mit meinen Eltern zu Kunstversteigerungen und Ausstellungen.
Meine Mutter besuchte 1931 mit mir die Ausstellung Schultens im Kunstsalon Abels in Köln (Komödienstraße). Ich durfte mir damals ein Bild aussuchen und entschied mich für ein Pastell mit Rheinmotiv. Von der Ausstellung waren wir sehr angetan. Schultens Frau Hilde begrüßte uns und brachte uns zum Künstler, der sich über unser Interesse sehr freute.
1934 trafen wir Schulten per Zufall auf dem Schiff nach Norwegen/Spitzbergen wieder. Er und seine Frau fuhren in der Kajüte des Arztes, die ihm wohl gegen Bilder zur Verfügung gestellt worden war. Abends traf man sich zum geselligen Zusammensein, wobei Schulten als bescheidener, interessanter Gesellschafter mit viel Humor wirkte. Oft erzählte er von den herrlichen Eindrücken, die er gemalt hatte.
Er stand fast ständig mit seinem Skizzenblock auf der Brücke, zu der Reisende eigentlich keinen Zutritt hatten; doch nahm er uns manchmal mit, um uns an seinem Malen teilnehmen zu lassen. Schulten machte vieles sehr intuitiv, d.h. er sagte plötzlich: Das ist mein Motiv! Dann mussten die Malutensilien in ein paar Minuten aufgebaut sein, denn das Schiff fuhr ja weiter. Dabei zeigte sich seine Frau Hilde, die ihm alles Technische erledigte, äußerst geschickt, während er den Eindruck studierte, um diesen anschließend in einem Zug im Bild festzuhalten. Auch bei Ausflügen an Land malte er häufig. Abends ließ er dann seine Alben mit Fotos seiner Gemälde »rundgehen«, um seine Kunst zu belegen oder auch Einblick in seine Malerei zu geben: wortlos. Hier lernte er häufig Leute kennen, die ihm Porträtaufträge gaben. Kurz vor Abschluss der Fahrt organisierte er mit Hilfe seiner Frau eine Ausstellung, wobei er etliche Bilder verkaufte. Für uns waren die Bilder Belege erlebter fremder Landschaft.
An Bord war Schulten so sympathisch, weil er immer vergnügt, bescheiden, immer positiv eingestellt war. Er sprach nicht angeberisch oder aufdringlich von seiner Malerei, auch nicht während des Malens. Wir bewunderten die Stimmungen in seinen Bildern und sprachen nicht weiter darüber, weil wir diese ja selbst so miterlebt hatten. Seine Frau Hilde war der »verbindende Punkt« zu anderen Mitreisenden, auf die sie in ihrer Aufgeschlossenheit zuging. Ohne dass sie die Bilder Schultens anpries, spielte sie eine Mittlerrolle.
Der Kontakt zu den Schultens wurde so gut, dass sie damals auch zu unseren Familienfesten eingeladen wurden. 1935 unternahmen wir, Curtius und Hilde, meine Mutter und ich eine Fahrt von Köln nach Königsberg und zurück entlang der Ostseeküste, natürlich mit Schultens Auto, aber wahrscheinlich auf Einladung meiner Mutter. Vier Wochen lang erlebten wir gemeinsam Landschaft und Städte, oft hielten wir an, um eine Landschaftsstimmung zu genießen oder auch Museen, Schlösser und Kirchen zu besichtigen. Abends erzählte er mit viel Witz von seinen Reisen, führte uns ins Krebsessen ein, oder zeigte uns das Trinken des »Nicolaijek«, wobei man eine mit Kaffee beträufelte Zitronenscheibe auf die Zunge legte und das Getränk darüber fließen ließ.
Unterwegs stoppte Schulten spontan und sagte nur: »Das muss ich malen!« Dann hatte Hilde binnen kürzester Zeit seine Malutensilien zurechtgestellt, während er sich kontemplativ auf das Motiv einstimmte. Schulten malte! Keiner wagte, ihn irgendwie anzusprechen oder sonst zu unterbrechen; wir warteten treu etwas abseits, sahen uns auch das Motiv an, unterhielten uns mit Hilde, blickten dem Künstler ab und zu über die Schulter, stimmten ihm zu und gingen wieder abseits. Plötzlich sagte er, dass er fertig sei; Hilde verstaute wieder alles in dem kleinen Gepäckraum, in dem unser Gepäck nur soviel Platz einnahm wie Schultens Malsachen. Verschiedene Bilder gefielen uns so gut, so dass wir diese kauften. Oft aber meinte er, das Bild sei noch ein wenig zu überarbeiten, oder er müsse es noch zum Einrahmen fertig machen.
Ilse Simons, Köln, Bekannte und Kundin
Meine Kindheit und Jugendzeit mit Curtius
von Carola Jutzler
Curtius Schulten, der elf Jahre jüngere Bruder meiner Mutter, spielte in meinen Kindertagen für mich die Hauptrolle. Ich sehe ihn als Bub im Haus der Großeltern ganz in unserer Nähe in Wuppertal immer mit einem Strohhut auf dem Kopf und mit dem Dackel spielen. Der Dackel wurde dann leider von der Postkutsche überfahren, als wir in die Ferien ins Blankenheimer Sommerhaus der Großeltern fuhren, und er bei der vorletzten Haltestelle aus der Kutsche sprang, vorauseilte und wieder zurück in den Wagen lief.
Unser erstes gemeinsames Schmerzerlebnis!
Curtius war 16, ich drei Jahre, als wir beschlossen, im Leben nur zu malen - er erreichte es mit Fürsprache seines Zeichenlehrers, der den Vater überzeugen konnte, während mein Vater etwas gegen »brotlose Kunst« hatte; ich wurde Entwerferin und bin erst seit elf Jahren freie Malerin, was mein Onkel leider nicht mehr erlebte. Aber als Kind gab er mir schon Unterricht mit großer Geduld, er, der immer rastlos arbeitete, zwischendurch aber Zeit fand für einen riesigen Freundeskreis. Während seines Studiums und meiner Schulzeit waren wir nur in den Ferien zusammen in Blankenheim. Sehr früh stand er auf, hatte vor dem Frühstück oft schon ein Blumenbild gemalt oder ein Tier gezeichnet. Am Tag fuhren wir in die Landschaft; ich lernte die Eifel kennen, oder ich saß ihm Modell. Sein moderner Kollege Dollerschell war oft bei ihm, konnte ihn aber nicht bewegen, von seinem einmal eingeschlagenen Weg abzugehen, er behielt seinen Stil. Dauernd wurde etwas gefeiert, an seinem Geburtstag war sein Blankenheimer Atelier ein Blumenmeer. […] Curtius, der heitere Mittelpunkt, von wunderbaren Frauen geliebt und umschwärmt! Er tanzte gerne, bei einem Fest senkte sich der Atelierboden um vier Zentimeter aus der Wand. Karneval inszenierte er mit immer neuen Ideen. Dann lernte er seine Frau Hilde kennen; sein produktivster Lebensabschnitt begann.
Carola Jutzler, Lörrach, Nichte des Künstlers
Mein Leben
mit Curtius
von Hete Schulten
Als ich zum ersten Mal in die Sommerferien zu Verwandten in die Eifel fuhr- es war in den zwanziger Jahren - ahnte ich nicht, dass diese Fahrt der Beginn eines Schicksals wurde, das viele Jahrzehnte lang bis heute andauert. Hier lernte ich Curtius Schulten kennen. Er war viel älter als ich, war als Kunstmaler im Rheinland schon gut bekannt.
Eines Abends fuhren wir alle zusammen zu einer Dorfkirmes. Plötzlich sah ich ihn nicht mehr, er hatte sich unter die Leute gemischt, weil da Männer standen, die ihn interessierten. Schnell zog er ein Skizzenheft und einen Stift aus der Tasche und zeichnete diese Gruppe von Männern, die sich da unterhielten: sie hatten solch markante Gesichter, wahrhaftig keine schönen, aber sie fesselten ihn, so dass er alles um sich herum vergaß. Und eines Tages wurden diese Gesichter in einer Radierung festgehalten: »Im Eisenbahnwagen 4. Klasse«.
Diese kleine Episode möchte ich an den Anfang meiner Erinnerungen stellen, denn sie bringt etwas Wesentliches von Curtius Schulten. Mit offenen Augen und sehr bereitem Herzen durchwanderte er die Welt, immer mit Papier und Stift in der Tasche: er sah die Welt als Bilder, war immer darauf bedacht, sie festzuhalten. So sind viele, viele entstanden.
Und doch wäre es falsch, ihn als »fleißig« zu bezeichnen, wie so mancher Besucher, der die Fülle seiner Werke im Blankenheimer Atelier betrachtete, von »einem ungeheuren Fleiß« sprach. Nein, so ist es nicht. Wie ein Musiker sein Empfinden nur in Tönen auszudrücken vermag, so kann der Maler seine Welt nur in Bildern hervorbringen. Aus einem inneren Drang muss er gestalten, was ihn fasziniert.
Um den Beginn unseres gemeinsamen Lebens nach dem plötzlichen Tod seiner Frau (im Januar 1945 durch eine Bombe) darstellen zu können, muss man die Verhältnisse jener Zeit bedenken. Es waren ja die schweren Zeiten nach der Kapitulation und den vielen Zerstörungen. Auch er hatte seine Wohnung in Köln verloren, und nun wohnten wir in Blankenheim im Sommerhaus seiner Eltern. Ja, es waren für uns schwierige Jahre, weil kaum jemand Interesse an Bildern hatte; sie waren eben ein absoluter Luxus, alles andere war wichtiger. Aber gerade in dieser schweren Zeit hat uns der Herrgott immer wieder geholfen, das muss ich heute dankbar sagen.
Kurz nach unserer Heirat lernten wir durch einen Bekannten meines Mannes den norwegischen Konsul kennen, der oft in die Eifel zu uns und zum Jagen kam.
Eines Tages wurden wir zum Nationalfeiertag der Norweger am 17. Juni eingeladen und dabei lernten wir einen norwegischen Ingenieur kennen, der in einem deutschen Werk tätig war. Als mein Mann das hörte, schwärmte er gleich von dieser gewaltigen Rauchentwicklung der vielen Schornsteine, die direkt malerisch sei. Mehr sagte er nicht! Aber nach wenigen Tagen bekamen wir einen Brief von diesem Ingenieur. Er bestellte ein großes Bild von diesem Werk. Dadurch bekamen wir etwas Außergewöhnliches: eine große Menge Briketts, die bis über den nächsten Winter reichten, und Dünger für die Bauern. Das war wahrhaftig ein gutes Tauschobjekt und verhalf uns zu guter Gesundheit!
Und da war noch ein Bekannter aus früherer Zeit, der ihm den Auftrag gab, ihn zu malen. Aber nicht gegen Geld, sondern gegen das, was er reichlich besaß. Er hatte eine Samengroßhandlung. Diese Samen waren besonders wichtig für die Bauern, und sie waren überglücklich, diese zu bekommen...
Mehrere Monate nach der Währungsreform wurde unser Sohn geboren, dessen Dasein uns beide sehr beglückte, dessen Entwicklung wir mit großer Freude beobachteten.
Schon sehr früh morgens war mein Mann im Garten, der in der Morgensonne wirklich am schönsten war. Natürlich zogen wir aus dem Boden alles an Gemüse, was wir brauchten, konnten auch manches Mal Verwandten und Freunden, die hofften, auf dem Lande mehr zu bekommen, davon abgeben.
Das war aber auch das einzige, was wir reichlich hatten, denn nach der Währungsreform blieb die Beschaffung von Aufträgen noch längere Zeit schwierig. Dafür verlagerten wir jetzt unser Augenmerk auf Diavorträge über seine früheren Reisen nach Teneriffa und Ibiza, nach Norwegen, Island und Spitzbergen. Mit diesen Vorträgen konnten wir uns über Wasser halten. So bereisten wir auch das mir vertraute Münster mit seinem Hinterland. Am Schluss von jedem Vortrag zeigte er noch seine schönsten Dias aus der Eifel in den verschiedenen Jahreszeiten. Und sicher ist manch einer seiner Zuhörer dadurch angeregt worden, diese unbekannte, interessante Landschaft der Eifel kennenzulernen. Auch der Eifelverein hat ihn oft zu Vorträgen in vielen Städten und Dörfern herangeholt - er hat immer alles gern für seine Eifler getan.
Auf diese Weise lernte er neue interessierte Leute kennen, die ihm Porträtaufträge gaben. U. a. lernte er in Bremen amerikanische Offiziere kennen, für die er sehr zu seinem Leidwesen(!) Porträts nach Fotos ihrer Angehörigen malte. Sie wollten ihn unbedingt nach Texas in Amerika mitnehmen, wo er mit seiner Familie gut wohnen könne und viele Aufträge bekommen würde. Wie gern hätte ich dies getan, bis es in Deutschland wieder besser gehen würde, aber er wollte nicht aus seiner Heimat, mit der er verwurzelt war, herausgerissen werden.
Mein Mann war immer ein Mensch spontaner Entschlüsse, wenn er etwas Neues als wichtig und richtig erkannte. Nach einem guten Porträtauftrag kaufte er ein kleines Auto, einen Opel P 4. Dies war der Beginn großer Aktivitäten.
1951 hatte er das große Glück, eingeladen zu werden, 3 Wochen in Teneriffa zu verbringen. Schon früher hatte er es kennengelernt und liebte es sehr. Nun war dies der Anfang vieler Reisen zu diesen "Glücklichen Inseln«, die in ihrer Vielfalt von üppigen tropischen Bäumen und Blumen mit den heiteren, lebensfrohen Bewohnern ihn außerordentlich anzogen und faszinierten. 30 000 Deutsche lebten dort ständig, und er gewann einen Freundeskreis, der sich immer freute, wenn er wiederkam. Er wurde als «pintor alemán« bekannt und geschätzt, dessen Arbeiten in den Zeitungen der Insel veröffentlicht wurden. Wie viele gute Bilder sind dort entstanden!
In den letzten Jahren seines Lebens fuhr er gern mit den großen Schiffen, der »BREMEN« und »EUROPA«, nach Norden hinauf. Er kannte und liebte diese herbere Landschaft Norwegens, wo er während des Krieges mehrere Monate beauftragt war, den Soldaten auf den einsamen Schären die Schönheiten dieses Landes zu zeigen.
Von allen diesen weiten Fahrten heimkehrend, freute er sich immer wieder sehr auf seine heimatliche Eifel, besonders auf den Frühling des Maimonats, auf den grünenden Buchenwald, auf die Berghänge voll leuchtendem Ginster. Dies war die Zeit der jagenden Wolken, und wenn die Sonne sie von hinten durchstrahlte, gab es für ihn kein Halten mehr: wir mussten hinausfahren, meistens die Ahr hinunter, zur Nürburg, zu den Maaren ...
Aber die schönste Jahreszeit für ihn war die Erntezeit. Glücklicherweise waren zu seinen Lebzeiten die Traktoren und Mähdrescher noch nicht weit verbreitet die Bauern waren arm und mussten vielfach noch mit ihrem Ochsengespann und ihren Händen die Ernte hereinbringen. Da standen die Garben in langen Reihen in der Sonne aufgestellt, darüber der weite Eifelhimmel welche Schönheiten für das Malerauge!
Die Tage zu Hause, die Ausflüge hinaus in die Eifel wohin auch immer waren für ihn das nötige Atemholen nach vielen anstrengenden Wochen der Konzentration, wenn er Porträts zu malen hatte.
Mein Mann liebte es, viele Menschen um sich zu haben. So war unser Haus Mittelpunkt vieler Freunde und Bekannten. Viele waren wochenlang bei uns; andere fragten an, ob sie bei der Rückfahrt von der Mosel bei uns hereinschauen könnten. Bis sie da waren, dauerte es immer eine Stunde. In dieser Zeit konnte ich schnell Windbeutel mit Himbeergelee und Sahne zaubern, die immer fertig waren, wenn sie kamen. Curtius konnte interessant erzählen, weil er viel erlebt hatte, und ein Besuch im Atelier war immer belebend, weil vieles neu bearbeitet war seit dem letzten Besuch. Und zu seinen Geburtstagen am 6. September kamen viele Freunde und Bekannte von nah und fern. Zurückblickend auf diese 21 Jahre meines Zusammenlebens mit meinem Mann möchte ich sagen, dass die ersten Jahre trotz der äußeren Schwierigkeiten doch fruchtbare Jahre waren. Das Bewusstsein, hier in der Heimat wieder künstlerisch arbeiten zu dürfen, beflügelte ihn, vielem Unfertigen aus früheren Jahren seinen eigenen, inzwischen gereifteren Stempel aufzudrücken und zu vollenden. Er war glücklich, frei zu sein (nach der Gefangenschaft), keinem äußeren Zwang mehr ausgeliefert zu sein. Darum hätte er nie darum ersucht, z. B. an einer Schule anzukommen. Nein, er liebte seine Freiheit! In seiner Bescheidenheit machte es ihm gar nichts aus, einfach zu leben; die Welt mit ihren Unruhen, ihren Widersprüchen und Problemen berührten ihn innerlich kaum, obwohl er durch die tägliche Zeitung immer informiert war. Heute, da ich großzügiger zu denken gelernt habe, sehe ich deutlich die vielen Hilfen Gottes in unserem Leben: die wachsende innere Ruhe meines Mannes, das glückliche Zusammenleben mit unserem Sohn, das Entgegenkommen hilfreicher Menschen schufen ganz andere, viel farbigere, viel frohere Bilder. Er war nun ein glücklicher Mensch, der die vielen Anregungen zu neuen Horizonten, zu neuen interessierten Menschen tatkräftig aufnahm, innerlich verarbeitete und daraus Bilder schuf, die uns beide während unserer gemeinsamen Jahre überaus beglückten.
Bei aller Aufgeschlossenheit den Eindrücken, den Menschen gegenüber wurde er immer mehr ein in sich ruhender Mensch, der nicht das Lob der großen Öffentlichkeit suchte. Trotzdem hatte er noch viele Pläne für die Zukunft. Und ich empfinde es als ein besonderes Geschenk, dass Gott ihn - der dies spürte - aus dem vollen künstlerischen Leben zu sich nahm.
Hete Schulten, Euskirchen, 2. Frau des Künstlers(ab 1946)
Kreis Euskirchen Jahrbuch, Euskirchen 1990, S. 21-24(ab 1946)
Als ich zum ersten Mal in die Sommerferien zu Verwandten in die Eifel fuhr- es war in den zwanziger Jahren - ahnte ich nicht, dass diese Fahrt der Beginn eines Schicksals wurde, das viele Jahrzehnte lang bis heute andauert. Hier lernte ich Curtius Schulten kennen. Er war viel älter als ich, war als Kunstmaler im Rheinland schon gut bekannt.
Eines Abends fuhren wir alle zusammen zu einer Dorfkirmes. Plötzlich sah ich ihn nicht mehr, er hatte sich unter die Leute gemischt, weil da Männer standen, die ihn interessierten. Schnell zog er ein Skizzenheft und einen Stift aus der Tasche und zeichnete diese Gruppe von Männern, die sich da unterhielten: sie hatten solch markante Gesichter, wahrhaftig keine schönen, aber sie fesselten ihn, so dass er alles um sich herum vergaß. Und eines Tages wurden diese Gesichter in einer Radierung festgehalten: »Im Eisenbahnwagen 4. Klasse«.
Diese kleine Episode möchte ich an den Anfang meiner Erinnerungen stellen, denn sie bringt etwas Wesentliches von Curtius Schulten. Mit offenen Augen und sehr bereitem Herzen durchwanderte er die Welt, immer mit Papier und Stift in der Tasche: er sah die Welt als Bilder, war immer darauf bedacht, sie festzuhalten. So sind viele, viele entstanden.
Und doch wäre es falsch, ihn als »fleißig« zu bezeichnen, wie so mancher Besucher, der die Fülle seiner Werke im Blankenheimer Atelier betrachtete, von »einem ungeheuren Fleiß« sprach. Nein, so ist es nicht. Wie ein Musiker sein Empfinden nur in Tönen auszudrücken vermag, so kann der Maler seine Welt nur in Bildern hervorbringen. Aus einem inneren Drang muss er gestalten, was ihn fasziniert.
Um den Beginn unseres gemeinsamen Lebens nach dem plötzlichen Tod seiner Frau (im Januar 1945 durch eine Bombe) darstellen zu können, muss man die Verhältnisse jener Zeit bedenken. Es waren ja die schweren Zeiten nach der Kapitulation und den vielen Zerstörungen. Auch er hatte seine Wohnung in Köln verloren, und nun wohnten wir in Blankenheim im Sommerhaus seiner Eltern. Ja, es waren für uns schwierige Jahre, weil kaum jemand Interesse an Bildern hatte; sie waren eben ein absoluter Luxus, alles andere war wichtiger. Aber gerade in dieser schweren Zeit hat uns der Herrgott immer wieder geholfen, das muss ich heute dankbar sagen.
Kurz nach unserer Heirat lernten wir durch einen Bekannten meines Mannes den norwegischen Konsul kennen, der oft in die Eifel zu uns und zum Jagen kam.
Eines Tages wurden wir zum Nationalfeiertag der Norweger am 17. Juni eingeladen und dabei lernten wir einen norwegischen Ingenieur kennen, der in einem deutschen Werk tätig war. Als mein Mann das hörte, schwärmte er gleich von dieser gewaltigen Rauchentwicklung der vielen Schornsteine, die direkt malerisch sei. Mehr sagte er nicht! Aber nach wenigen Tagen bekamen wir einen Brief von diesem Ingenieur. Er bestellte ein großes Bild von diesem Werk. Dadurch bekamen wir etwas Außergewöhnliches: eine große Menge Briketts, die bis über den nächsten Winter reichten, und Dünger für die Bauern. Das war wahrhaftig ein gutes Tauschobjekt und verhalf uns zu guter Gesundheit!
Und da war noch ein Bekannter aus früherer Zeit, der ihm den Auftrag gab, ihn zu malen. Aber nicht gegen Geld, sondern gegen das, was er reichlich besaß. Er hatte eine Samengroßhandlung. Diese Samen waren besonders wichtig für die Bauern, und sie waren überglücklich, diese zu bekommen...
Mehrere Monate nach der Währungsreform wurde unser Sohn geboren, dessen Dasein uns beide sehr beglückte, dessen Entwicklung wir mit großer Freude beobachteten.
Schon sehr früh morgens war mein Mann im Garten, der in der Morgensonne wirklich am schönsten war. Natürlich zogen wir aus dem Boden alles an Gemüse, was wir brauchten, konnten auch manches Mal Verwandten und Freunden, die hofften, auf dem Lande mehr zu bekommen, davon abgeben.
Das war aber auch das einzige, was wir reichlich hatten, denn nach der Währungsreform blieb die Beschaffung von Aufträgen noch längere Zeit schwierig. Dafür verlagerten wir jetzt unser Augenmerk auf Diavorträge über seine früheren Reisen nach Teneriffa und Ibiza, nach Norwegen, Island und Spitzbergen. Mit diesen Vorträgen konnten wir uns über Wasser halten. So bereisten wir auch das mir vertraute Münster mit seinem Hinterland. Am Schluss von jedem Vortrag zeigte er noch seine schönsten Dias aus der Eifel in den verschiedenen Jahreszeiten. Und sicher ist manch einer seiner Zuhörer dadurch angeregt worden, diese unbekannte, interessante Landschaft der Eifel kennenzulernen. Auch der Eifelverein hat ihn oft zu Vorträgen in vielen Städten und Dörfern herangeholt - er hat immer alles gern für seine Eifler getan.
Auf diese Weise lernte er neue interessierte Leute kennen, die ihm Porträtaufträge gaben. U. a. lernte er in Bremen amerikanische Offiziere kennen, für die er sehr zu seinem Leidwesen(!) Porträts nach Fotos ihrer Angehörigen malte. Sie wollten ihn unbedingt nach Texas in Amerika mitnehmen, wo er mit seiner Familie gut wohnen könne und viele Aufträge bekommen würde. Wie gern hätte ich dies getan, bis es in Deutschland wieder besser gehen würde, aber er wollte nicht aus seiner Heimat, mit der er verwurzelt war, herausgerissen werden.
Mein Mann war immer ein Mensch spontaner Entschlüsse, wenn er etwas Neues als wichtig und richtig erkannte. Nach einem guten Porträtauftrag kaufte er ein kleines Auto, einen Opel P 4. Dies war der Beginn großer Aktivitäten.
1951 hatte er das große Glück, eingeladen zu werden, 3 Wochen in Teneriffa zu verbringen. Schon früher hatte er es kennengelernt und liebte es sehr. Nun war dies der Anfang vieler Reisen zu diesen "Glücklichen Inseln«, die in ihrer Vielfalt von üppigen tropischen Bäumen und Blumen mit den heiteren, lebensfrohen Bewohnern ihn außerordentlich anzogen und faszinierten. 30 000 Deutsche lebten dort ständig, und er gewann einen Freundeskreis, der sich immer freute, wenn er wiederkam. Er wurde als «pintor alemán« bekannt und geschätzt, dessen Arbeiten in den Zeitungen der Insel veröffentlicht wurden. Wie viele gute Bilder sind dort entstanden!
In den letzten Jahren seines Lebens fuhr er gern mit den großen Schiffen, der »BREMEN« und »EUROPA«, nach Norden hinauf. Er kannte und liebte diese herbere Landschaft Norwegens, wo er während des Krieges mehrere Monate beauftragt war, den Soldaten auf den einsamen Schären die Schönheiten dieses Landes zu zeigen.
Von allen diesen weiten Fahrten heimkehrend, freute er sich immer wieder sehr auf seine heimatliche Eifel, besonders auf den Frühling des Maimonats, auf den grünenden Buchenwald, auf die Berghänge voll leuchtendem Ginster. Dies war die Zeit der jagenden Wolken, und wenn die Sonne sie von hinten durchstrahlte, gab es für ihn kein Halten mehr: wir mussten hinausfahren, meistens die Ahr hinunter, zur Nürburg, zu den Maaren ...
Aber die schönste Jahreszeit für ihn war die Erntezeit. Glücklicherweise waren zu seinen Lebzeiten die Traktoren und Mähdrescher noch nicht weit verbreitet die Bauern waren arm und mussten vielfach noch mit ihrem Ochsengespann und ihren Händen die Ernte hereinbringen. Da standen die Garben in langen Reihen in der Sonne aufgestellt, darüber der weite Eifelhimmel welche Schönheiten für das Malerauge!
Die Tage zu Hause, die Ausflüge hinaus in die Eifel wohin auch immer waren für ihn das nötige Atemholen nach vielen anstrengenden Wochen der Konzentration, wenn er Porträts zu malen hatte.
Mein Mann liebte es, viele Menschen um sich zu haben. So war unser Haus Mittelpunkt vieler Freunde und Bekannten. Viele waren wochenlang bei uns; andere fragten an, ob sie bei der Rückfahrt von der Mosel bei uns hereinschauen könnten. Bis sie da waren, dauerte es immer eine Stunde. In dieser Zeit konnte ich schnell Windbeutel mit Himbeergelee und Sahne zaubern, die immer fertig waren, wenn sie kamen. Curtius konnte interessant erzählen, weil er viel erlebt hatte, und ein Besuch im Atelier war immer belebend, weil vieles neu bearbeitet war seit dem letzten Besuch. Und zu seinen Geburtstagen am 6. September kamen viele Freunde und Bekannte von nah und fern. Zurückblickend auf diese 21 Jahre meines Zusammenlebens mit meinem Mann möchte ich sagen, dass die ersten Jahre trotz der äußeren Schwierigkeiten doch fruchtbare Jahre waren. Das Bewusstsein, hier in der Heimat wieder künstlerisch arbeiten zu dürfen, beflügelte ihn, vielem Unfertigen aus früheren Jahren seinen eigenen, inzwischen gereifteren Stempel aufzudrücken und zu vollenden. Er war glücklich, frei zu sein (nach der Gefangenschaft), keinem äußeren Zwang mehr ausgeliefert zu sein. Darum hätte er nie darum ersucht, z. B. an einer Schule anzukommen. Nein, er liebte seine Freiheit! In seiner Bescheidenheit machte es ihm gar nichts aus, einfach zu leben; die Welt mit ihren Unruhen, ihren Widersprüchen und Problemen berührten ihn innerlich kaum, obwohl er durch die tägliche Zeitung immer informiert war. Heute, da ich großzügiger zu denken gelernt habe, sehe ich deutlich die vielen Hilfen Gottes in unserem Leben: die wachsende innere Ruhe meines Mannes, das glückliche Zusammenleben mit unserem Sohn, das Entgegenkommen hilfreicher Menschen schufen ganz andere, viel farbigere, viel frohere Bilder. Er war nun ein glücklicher Mensch, der die vielen Anregungen zu neuen Horizonten, zu neuen interessierten Menschen tatkräftig aufnahm, innerlich verarbeitete und daraus Bilder schuf, die uns beide während unserer gemeinsamen Jahre überaus beglückten.
Bei aller Aufgeschlossenheit den Eindrücken, den Menschen gegenüber wurde er immer mehr ein in sich ruhender Mensch, der nicht das Lob der großen Öffentlichkeit suchte. Trotzdem hatte er noch viele Pläne für die Zukunft. Und ich empfinde es als ein besonderes Geschenk, dass Gott ihn - der dies spürte - aus dem vollen künstlerischen Leben zu sich nahm.
Hete Schulten, Euskirchen, 2. Frau des Künstlers(ab 1946)
Kreis Euskirchen Jahrbuch, Euskirchen 1990, S. 21-24(ab 1946)
Eine faszinierende
Persönlichkeit
von Werner Rosen
Trink‘ oh Augen, was die Wimper hält, von dem Überfluss der Welt!
Dieser poetische Jubelruf des Schweizer Dichters Gottfried Keller kommt mir in den Sinn, wenn von Curtius Schulten die Rede ist. Beide hatten eines gemeinsam: die irdische Wirklichkeit nur von der Fülle ihrer Schönheit und der Gloriole des Erhabenen zu sehen und zu preisen. [...] Ich habe Curtius Schulten schon als Auszubildender bei seinem Besuch beim Landrat kennengelernt, stolz die Bildermappe des Meisters tragen zu dürfen. [...]
In den nachfolgenden Wiederaufbaujahren habe ich Curtius Schulten öfters in seinem Blankenheimer Atelier, unterhalb der historischen Kapelle Hülchrath, besuchen dürfen. Mit Baujahr 1911 erinnerte es an Goethes Gartenhaus in Weimar, im Volksmund wurde es aber liebevoll das »Kaffeemühlen Häuschen« genannt. Ein Ausflug zur »Wiege der Ahr« mit einer Stippvisite in Curtius' Künstlerklause zu verbinden war damals ebenso selbstverständlich, wie heute die empfehlenswerte Einkehr in das so hervorragend konzipierte Kreismuseum.
Der gewöhnlich in einem weißen Kittel agierende Hausherr konnte sich über jeden Besucher erfreuen und begeistern. Der wiederum wusste in der Enge und Fülle dieser Boheme anmutenden Behausung nicht, wohin er schauen oder treten sollte. Mir ist es jedenfalls rätselhaft geblieben, wie in diesem Wust von Skizzen, Rollen, Tagebüchern, gebündelten oder fliegenden Blättern wie und was gefunden werden konnte. Da griff er nach einem unter der Kommode liegenden Stapel und schon schwärmte der frisch angelandete Nordland Tourist von der Stille und Weite Skandinaviens, ließ einen fröstelnd die Eisblöcke um Spitzbergen Revue passieren und einen Hauch von Mitternachtssonne spüren. Doch im nächsten Moment hatte er schon eine Kollektion farbenprächtiger Bauernszenen von seiner Lieblingsinsel Teneriffa zur Hand, mit dem vollen Licht des mediterranen Raumes und glutäugigen Spanierinnen, die den frühen Pionier des Massentourismus heute als Columbus der Kanaren preisen müßten.
Nein, Curtius Schulten war alles andere als nur ein »Eifel« Maler, als solcher er sich gerne bei offiziellen Anlässen feiern ließ. Sein Schaffensquell war die weite Weit, überall da, wo sie ihm mit den damaligen Unzulänglichkeiten der Mobilität zugänglich wurde. Sei es mit einem billigen Bananendampfer südwärts oder auf Kreuzfahrt mit den Ozeanriesen der Hapag Lloyd, deren Passage er sich durchweg mit Porträtmalerei der High Society verdingte.Porträts namhafter Persönlichkeiten aus Kunst und Wissenschaft, mit der unverkennbaren Signatur von Curtius Schulten, künden heute in ganz Europa von der Kreativität eines Künstlers, der das menschliche Antlitz als Spiegelbild der Seele immer wieder zu ergründen versucht hat. Ohne solche Auftragsarbeiten hätte es manchmal am ohnehin nicht üppigen Lebensunterhalt gefehlt. Seine Eifeler Bauerngestalten in ihrer herben Schönheit und Ausdruckskraft, in ihrer Verwurzelung von Mensch und Natur, erinnern an die Worte, dass Armut und Schwermut der Eifel zugleich ihr adeliger Stolz waren.
Der Kreis darf sich glücklich schätzen, noch zu Lebzeiten des Malers einer seiner faszinierendsten Arbeiten erworben und in seinem Besitz zu haben: die lebensnahe Darstellung einer Eifeler Bäuerin aus dem Oberahrgebiet. Mir erscheint dieses 1932 entstandene Ölbild aus seiner 5 Jahrzehnte währenden Schaffensperiode das eindringlichste zu sein, was er über den vielgeplagten Menschen der Eifel auszusagen hatte.Gelegentlich durfte ich Curtius Schulten auch bei seiner Arbeit draußen an der Feldstaffelei beobachten. Er suchte sich dabei gerne eine Anhöhe aus, um die kontrastierende Landschaft besser im Blickfeld zu haben, oder die Vulkanberge der Südeifel als typische Hintergrundkulisse. Bei der Arbeit war er auch sehr gesprächig, indem er versuchte, einem die Kunst des Sehens und Malens zu vermitteln. Stets frohgemut und mit beschwingter Schaffensfreude schwärmte er von der Eifel mit ihrem unermesslichen Reichtum an malerischen Glanzpunkten. Man spürte es bei jedem Wort: Das Schöne dieser Erde offenbarte sich ihm, wurde zum Born ungebändigter Lebensfreude, die Curtius Schulten auch seinen Gesprächspartner reich zu schenken wusste. Er brauchte nie lange nach einem Motiv zu suchen. Natur aus erster Hand, Vielfalt und Schönheit, Idylle und Kontraste sah er überall dort, wo Alltagssehenden der Blick schon getrübt schien. Und wie konnte er schwärmen, wenn er die Silbrigkeit des Wassers, den Rhythmus der Berge und das Spiel der Wolken mit wenigen Strichen einfing und zur Harmonie von Farbe und Form verschmelzen ließ.
Ich danke dem lieben Gott, dass er mir die Eifel geschenkt hat.
Werner Rosen, Hellenthal, Ehemaliger Gemeindedirektor, 1990
Das Porträt von
Lilian Harvey